Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Auch Haferbrei ist native Kost

Erstellt von r.ehlers am Samstag 1. April 2017

Porridge (Bild: Wikimedia.Commons)

Generationen lang hatte die Eltern ein gutes Gewissen, wenn sie Ihren Kindern morgens zum Frühstück ein Schälchen Haferbrei zu essen gaben. War ihr Eindruck falsch, dass dies eine gute erste Versorgung des Tages war, die den Kindern gut bekam? Haferbrei ist aber bekanntlich auch bei alten Leuten beliebt nicht nur, wenn sie eine unzureichende Zahnversorgung haben und schlecht beißen können).

Oder stellt diese Nahrung und Essweise einen besonders guten Weg dar, den Kindern und eigentlich jedermann ganz schnell einen guten Schub an wertvollen Nähr- und Vitalstoffen zu geben, einen starken Verstoffwechslungsreiz aus dem Dünndarm an das Esskontrollzentrum im Hypothalamus des Gehirns abzusenden und damit zugleich den zentralnervösen Befehl zum Aufbau des Esskontroll- und Wohlfühlhormons Serotonin auszulösen?

Wenn das stimmt und man das erst einmal begriffen hat, kann man sicherlich durch Beobachtungsstudien den Nachweis erbringen, dass die Kinder nach diesem Frühstück „besser drauf“ sind als nach jeder anderen Versorgung. Aber wer hätte denn ein wirtschaftliches Interesse an dieser Feststellung? Vielleicht die Hersteller von Haferflocken?!

Ich zeige nachfolgend mal die voraussichtliche lange Ursachenkette auf:

In der Natur strebt alles Leben danach, sich fortzupflanzen. Daher packen schon die Pflanzen all ihren Inhaltsreichtum in ihre Samen. In den Saaten finden sich wie in einem Spiegel der ganzen Pflanze all ihre Energieträger wie Kohlenhydrate und Fette und all ihre Aufbau- und Funktionsstoffe wie Aminosäuren, Enzyme, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und viele sekundäre Inhaltsstoffe. Zudem sind die Samenkörner auch außergewöhnlich faserreich, was sich erst mit dem Keimen der Samen und der Ausbildung der neuen Pflanzen aus ihnen verliert.

Der Inhaltsreichtum der Samen befindet sich im Innern ihrer Abermillionen der Zellen, aus denen sie neben ihren formgebenden Gewebestrukturen bestehen. Gegen deren Verlust und Verderbnis sind sie durch Zellulosewände geschützt. Solange diese unversehrt  sind, kommt kein Fressfeind der Pflanzen, also auch kein Mensch, an ihre Inhalte heran. Werden die Zellen daher nicht von außen mechanisch geöffnet, durchlaufen die Samenkörner den ganzen 9 – 10 m langen Verdauungstrakt und werden am Ende unversehrt ausgeschieden. Ähnliches geschieht bei den Kernfrüchten, die ihre im Kern befindlichen unverdaulichen Samen in verdaulichen Fruchtkörpern unterbringen, damit Lebewesen, die das Obst verzehren, die Samen über ihre Kloake weit in der Gegend verteilen. Bei den Getreidesamen ist es so, dass wir von ihrem Inhalt rein gar keinen Vorteil haben, wenn die Zellwände nicht geöffnet sind. Im Gegenteil: Auf dem langen Verdauungsweg werden die Zellen schön warm gehalten. Bald fängt ihr Inhalt zu gären und zu faulen an.  Die giftigen Fäulnisgase passieren im Dünndarm leicht die Darm-Blut-Schranke und landen in der Leber, der die Aufgabe der Entgiftung zufällt.

Glücklicherweise bestehen Haferflocken nicht aus völlig unbearbeiteten Getreidekörnern. Sie sind wenigstens gequetscht und  breit gedrückt. Weil es keine Ermittlung der Zahl der zerquetschten Pflanzenzellen in Flocken gibt, sind wir auf Schätzungen angewiesen. Ich gehe davon aus, dass die meisten Zellen intakt bleiben. Ich nehme aber auch an, dass der morgendliche Haferbrei nicht roh verzehrt wird, sondern wie üblich gekocht auf den Tisch kommt, wenn auch nicht besonders lange. Dieses Kochen macht die Zellwände weich, wenn es sie nicht gleich zum Platzen bringt. Man kann daher davon ausgehen, dass die wertvollen Inhalte der Pflanzenzellen so gut wie vollständig in den Verdauungstrakt gelangen. Zugleich verlösen sich auch die feinen Fasern der Zellen im Brei. Was den Grad der Zerkleinerung der Zellen anbelangt, ist die Situation der von mir sogenannten nativen Kost ganz ähnlich, wenn man Haferkörner vor dem Verzehr getrocknet und gemahlen mit einer kleinen Menge Flüssigkeit aufnimmt. Eine Pflanzenzelle ist durchschnittlich 180 µm groß. In den leistungsfähigsten hydropneumatischen Mühlen erreicht man einen Vermahlungsgrad von 60 µm, zerschlägt also ausnahmslos jede Zelle. Meine Experimente haben allerdings gezeigt, dass das nicht zwingend nötig ist. Soweit es darauf ankommen sollte, eine Mindestmenge an verstoffwechselbarer Masse in den Dünndarm zu kriegen, nimmt man vielleicht ein wenig mehr Masse vom nicht so total zerkleinerten Substrat. Praktische Versuche haben mir gezeigt, dass es sogar völlig ausreicht, Haferflocken einmal durch eine Kaffeemühle zu jagen.

Die Verstoffwechslung der kleinen Menge an gemahlenem oder gekochtem Haferbrei, die morgens als erste Nahrung des Tages auf leeren Magen verzehrt wird, findet praktisch allein im Dünndarm statt. Der Magen wird durch diese kleine verflüssigte Nahrungsmenge nämlich nicht beschäftigt. Vielmehr läuft der flüssige Brei entlang der inneren Krümmung (inneren Kurvatur) des Magens entlang direkt in den Vorhof (Antrum) des Magenpförtners (Pylorum) und läuft von dort aus ohne jede Störung durch diesen hindurch in den Dünndarm. Anders als vielfach erklärt, ist der Magenpförtner nämlich kein Ringmuskel, der regelmäßig geschlossen ist wie die Ringmuskeln des Mundes und des Anus. Der Pförtner ist vielmehr ein sog. Dehnsphinkter, der im Ruhezustand völlig relaxiert ist. Er macht dicht, wenn sich die ihn umgebenden Längsmuskeln anspannen. Der Magenpförtner reagiert sehr sensitiv auf Nahrungspartikel, die  im Durchmesser größer als 1 – 2 mm sind, ferner auf große Fett- und Eiweißanteile. Kommen solche Speisen in den Magen, schließt der Magenpförtner, die Nahrung wird nacheinander aufgeschichtet und der Magen weitet sich an seiner äußeren Kurvatur. Dies legt die Ausgänge der Magendrüsen in der Magenwand frei, die Salzsäure und körpereigene Verdauungssäfte wie Pepsin sezernieren: Die Nahrung wird gesäuert. Bevor sie dann nach umfangreichen Prozeduren im Magen voll vermischt auf kontrollierte Weise aus dem Magen ausgetrieben wird, wird sie im Magen erst entsäuert. Der Dünndarm verträgt nämlich kein saures Klima.

Die Menge des Haferbreis, der auf leeren Magen auf beschriebene Weise den Sonderweg der direkten Beschickung des Dünndarms nutzen kann, ist nur begrenzt. Selbst wenn zuviel Wasser auf einmal am Magenpförtner ankommt, schließt sich dieser bereits, erst recht, wenn in der Flüssigkeit viele Nahrungspartikel verlöst sind. In meinen Experimenten habe ich festgestellt, dass erst eine Menge Haferbrei von mehr als 20 Gramm (incl. zugesetzter  Geschmacksträger wie Honig oder Apfelmus) dazu führt, dass der Magenpförtner schließt und das Standardprogramm des Magens übernimmt.

Lange Zeit war ich der Meinung, dass die schnelle und intensive Verstoffwechslung im Dünndarm nur möglich wäre beim Einsatz roher getrockneter und gemahlener Saaten. Schließlich hatte ich die überraschenden mentalen Wirkungen im Jahre 2000 erstmals nach dem Verzehr eines chinesischen Produkts (KUIKE) erlebt, bei dem die Inhaltsstoffe Reis, Soja und Konjakmehl in nicht gekochter Form verwendet wurden. Für die Nutzung roher Zutaten sprach auf dem Papier der Umstand, dass nur bei rohen Pflanzen die die Verstoffwechslung wesentlich unterstützenden Nahrungsenzyme voll funktionsfähig erhalten sind. Aus der Bauspeicheldrüse und Leber kommen aber körpereigene Enzyme, die für die komplette Verstoffwechslung der nur kleinen Menge an Haferbrei ausreichen sollten. Zudem werden die Nahrungsenzyme nicht schon bei kurzfristiger Erhitzung zerstört, sondern erst nach einer längeren Zeit. Im höheren Alter allerdings werden die Nahrungsenzyme immer wichtiger, weil die Menge an körpereigenen Enzymen dann sehr stark zurückgeht. Alte Menschen sollten daher ihren Haferbrei bewusst nicht kochen oder nur leicht erwärmen.

Der Schwarm unserer Mütter, Groß- und Urgroßmütter Johannes Heesters (1903 – 2011) ,  setzte bis zu seinem Tode auf eine morgendliche Schüssel Haferbrei. Natürlich kann man nicht bewisen, dass das allein sein langes Wohlbefinden bestimmt hätte. Aber viel spricht dafür, dass das eine Hilfe dazu war.

Johannes-Heesters.de

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Anregung des körpereigenen Aufbaus des Wohlfühlhormons Serotonin auch mit wohl in jedem Haushalt immer verfügbaren gesondert gemahlenen Haferflocken oder mit Hafermehl möglich ist. Wie sehr gerade Kinder davon profitieren, ist abhängig vom bei ihnen vorhandenen zerebralen Serotoninlevel. Ich gehe davon aus, dass auch ausdauernde Bewegung („runners high“), besondere Hitze- und Kältereize (Sauna, Eisbaden) und die Wirkung des vollen Spektrums des Sonnenlichts zum Serotoninaufbau beitragen. Wann ein Mensch nicht ausreichend mit Serotonin versorgt ist, kann man derzeit nur relativ sicher sagen, wenn sich bereits typische Störungen zeigen wie schlechte Stimmung, Depressionen, Burnout und Migräne.

Die alte Gewohnheit, jeden Tag mit einem Schälchen Haferbrei zu beginnen jedenfalls hat sich als das beste Frühstück erwiesen, das man sich -und seinen Kindern- gönnen kann.

Eine Schlussbemerkung: Es gibt nur wenige Menschen, die Hafer nicht vertragen, weil es ein wenig Klebereiweiß (Gluten) beinhaltet. Dann mache man sich eben einen Reis- oder Hirsebrei oder greift zu Buchweizen oder Amanranth.